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Tierqualhaltung im Dresdner Zoo bleibt – trotz neuem Affenhaus

11. August 2024 - 19:07 Uhr

Anlässlich der Eröffnung eines neuen Orang-Utan-Gefängnisses im Zoo Dresden schlossen sich mehrere Gruppen zu einem Protest zusammen. Denn die Haltungsbedingungen werden sich trotz aller irreführenden PR kaum verbessern, zudem soll ein Zuchtprogramm noch mehr Gefangene „produzieren“. Kritiker:innen des Zoos konnten am Eröffnungstag das offensichtliche Leid einiger Zootiere anhand von Verhaltenssterotypien und mehrere Lügen des Zoos dokumentieren.

Nach mehreren Jahren Bauzeit und der Investition von 22 Millionen Euro wurde am 18. Juni ein neues Tiergefängnis im Dresdner Zoo mit viel Presse feierlich eröffnet. Gegen das neue sogenannte Orang-Utan-Haus und die geplante Orang-Utan-„Zucht“ sowie die Institution Zoo an sich protestierten Tierrechtsaktivist:innen am gleichen Nachmittag vor dem Eingang des Zoos. Das Interesse der Presse an der Eröffnung des Orang-Utan-Hauses war groß, das an dem Protest vor dem Zoo dagegen sehr gering und die Reaktionen der meisten Passant:innen überwiegend ablehnend.
Anlässlich des Protestes, der von Tierbefreiung Dresden, dem Antispe Kollektiv Dresden und der Initiative Wildtierschutz Sachsen organisiert und von den Dresdner Piraten sowie weiteren engagierten Menschen unterstützt wurde, lief auch eine thematisch passende Radiosendung bei Coloradio.


Die Kritiker:innen forderten unter anderem eine öffentliche kritische Debatte zum Zoo, keine weiteren Tiere für den Zoo, einschließlich des Endes der Zucht von Tieren, eine anderweitige Unterbringung der Tiere (in Sanctuaries), mehr Einsatz zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume der Tiere und langfristig den Umbau des Zoos Dresden in eine Bildungsstätte ohne Tierhaltung. Zudem wurde die Institution Zoo auch grundsätzlich kritisiert, denn sie entstand aus den kolonialen Praxen rassistischer und speziesistischer europäischer Traditionen, in der Wildtiere in Menagerien vor allem aristokratische Machtansprüche und Naturunterwerfung symbolisierten und als lebende Objekte gesammelt, ausgestellt und verschenkt wurden, ohne die Bedürfnisse der „Sammelobjekte“ zu berücksichtigen. Die Transformation in zoologische Gärten und die Neugründungen von Zoos im 19. Jahrhundert im Kontext der kolonialen Aufteilung der Welt durch europäische Staaten war Ausdruck und Teil imperialistischer Bestrebungen und nur durch kolonialen Tierhandel möglich (bspw. Mieke Roscher 2021, S. 7ff.).

Trotz der Behauptungen, Zoos würden heute Beiträge zu Artenschutz, Forschung oder Bildung leisten, lässt sich das bisher nicht plausibel belegen. Bis auf ästhetische Anpassungen der Zooarchitektur hat sich bis heute nichts am Gewaltverhältnis, der Bevormundung, der lebenslangen Fremdbestimmung und Gefangenschaft, der Objektifizierung und Benutzung der Tiere oder den in Zoos üblichen Tötungen („überzählig“ gewordener oder als „Futter“ verwerteter Tiere) verändert.

Der Albtraum geht weiter
In dem neuen, immer noch viel zu kleinen Gehegebau sollen mindestens die fünf Orang-Utans eingesperrt werden, die jetzt schon im Zoo sind: Djaka (*1969), Djudi (*1973), Daisy (*1991), Toni (*1991) und Dalai (*2015).

Dalai ist die jüngste der eingesperrten Orang-Utans im Dresdner Zoo. Hier am Eröffnungstag des Orang-Utan-Hauses am 18. Juni. Foto: Colin Goldner


Ein Besuch am Eröffnungstag des Orang-Utan-Hauses zeigte dabei, wie wenig sich die Haltungsbedingungen für die Orang-Utans wirklich ändern werden und wie sehr die Lokalmedien seit Jahren vor allem die Erzählungen des Zoos wiedergeben, ohne sich für die Fakten oder die Probleme in und um den Zoo zu interessieren.
Der Großteil des kreisrunden Gebäudekomplexes („Doughnut“) besteht aus Bereichen, die die Zoobesucher:innen begehen können und die nur dem Aufenthalt und der Beobachtung durch Menschen dienen. Ein Teil der Fläche dient schließlich auch den Gehegen der Orang-Utans, die aber nur wenig größer ausfallen als die alten Gehege, die so karg und klein waren, dass der Zoo Dresden dafür 2017 vom GreatApeProject eine Negativ-Auszeichnung für die „Schlimmste Orang-Utan-Qualhaltung in einem europäischen Zoo“ erhalten hatte.
Aufgrund dieser von diversen Medien aufgegriffenen Kritik geriet der Zoo offenbar unter Druck, die seit Jahrzehnten bestehende „Übergangslösung“ zu beheben. Zumindest steht die Planung eines neuen Affenhauses ab 2017 zeitlich in Verbindung mit den Medienberichten über die schlechte Haltung der Orang-Utans. Daher liegt es nahe, dass mit dem neuen Affenhaus in erster Linie das Image des Zoos aufgebessert werden sollte.

Im neuen Haus sollen laut Zoo die Haltungsbedingungen nun artgerecht sein. Dass dies nicht ansatzweise zutrifft, sollte eigentlich jede Zoobesucherin sehen. Laut Colin Goldner, der international in Zoos zur Haltung von Menschenaffen recherchiert und die deutsche Sektion des GreatApeProject leitet, stellt die neue Haltung gegenüber dem vorherigen Zustand keine wirkliche Verbesserung dar, weshalb er unmittelbar nach Besichtigung des neuen Hauses Anzeige beim zuständigen Veterinäramt wegen des Verdachtes auf fortgesetzten Verstoß gegen das Tierschutzrecht wie auch das seit 2014 geltende bundesministerielle Säugetiergutachten stellte, das die Haltungsbedingungen von Säugetieren in Zoogefangenschaften (wenngleich nicht rechtsverbindlich) regelt.

Da alle Gehege von einer riesigen blickdichten Mauer umschlossen sind, haben die Tiere, entgegen aller Behauptungen des Zoos, keinen wirklichen Blick nach draußen: sie werden visuell komplett von ihrer Umgebung abgeschirmt. Sollte der Zoo seine angekündigten „Nachzucht“-Pläne weiterverfolgen und das neue Haus mit mehr als den derzeit gehaltenen fünf Orang Utans besetzen, würden auch die erweiterten Gehegemaße schnell an die Grenzen der – in sich völlig unzureichenden – bundesministeriellen Haltungsvorgaben stoßen. Laut Informationen der Lokalpresse sollen die Räume zusammen auf weniger als 1.000 Quadratmeter (450 innen und 480 außen) kommen. Würde das zutreffen, entspräche es im Vergleich zu den natürlichen Revieren (von mehreren Hundert bis mehreren Tausend Hektar, dabei sind ein Hektar gleich 10.0000 Quadratmeter) weit weniger als 0,1 Prozent der Fläche, die Orang-Utans in Freiheit nutzen. Somit müssen die neuen Gehege auch ohne die geplanten „Nachzuchten“ von Orang-Utans immer noch als katastrophal klein und beengt gewertet werden. Ganz abgesehen davon, dass neben den Orang-Utans weitere Tierarten wie Binturongs (Schleichkatzen), Glattotter, Netzpythons und Riesenschildkröten in dem Neubau untergebracht wurden und entsprechenden Platz beanspruchen.

Die beengten Unterbringungsverhältnisse gelten aber auch für die anderen Gehege im Zoo. Bei den größeren Tieren ist das ganz offensichtlich, bei allen flugfähigen Tieren in den Volieren ist das ebenso sofort erkennbar. Zwar sind in den letzten Jahren neue Gehege für Löwen und Elefanten entstanden, die aber trotz der jeweils zweistelligen Millionen-Investitionen ebenfalls nicht wesentlich größer sind als die alten Gefängnisse und immer noch so klein, dass die Tiere darin keine ihrer natürlichen Verhaltensweisen ausleben können und zwangsläufig darin leiden. Auch bei diesen Neubauten ging es wohl mehr um einen weniger bedrückenden Eindruck der Zooarchitektur auf Menschen, als um die Tiere, die sich auf dieser Fläche nicht vor den Zoobesucher:innen zurückziehen können.

Am 18. Juni konnten zudem bei einem Schopfhirsch und einer Giraffe Verhaltensstereotypien in Form von sich ständig wiederholten gleichbleibenden Bewegungen dokumentiert werden, die eine Folge von der extrem eingeschränkten Bewegungsfreiheit, von Reizarmut, der Unterdrückung der arttypischen Verhaltensweisen und Bedürfnisse sind, und die besonders großes psychisches Leiden nachweisen.

Desinformation als Teil der Kampagne ums neue Orang-Utan-Haus

Für seine Öffentlichkeitsarbeit und in persönlichen Gesprächen nutzte und nutzt der Zoo auch gezielte Falschaussagen. Dazu zählt die in der Kommunikation mit Stadt und Presse verwendete Behauptung, die renommierte Primatenforscherin Signe Preuschoft sei in die Beratungen des Zoos bei der Planung des neuen Orang-Utan-Hauses einbezogen gewesen und habe den Neubau befürwortet. 

Tatsächlich setzt sie sich für die Rettung, den Schutz und die Auswilderung von Orang-Utans ein und arbeitet im Auftrag von Vier Pfoten Österreich seit Jahren auf der Insel Borneo. Zwar war sie vor längerer Zeit einmal in Dresden und hatte die Pläne zum neuen Menschenaffenhaus gesehen;  auch korrespondierte sie wohl mit Zoodirektor Ukena. Jedoch hat sie vom Neubau und einer weiteren Haltung sowie der „Nachzucht“ von Orang-Utans in Dresden grundsätzlich abgeraten. Sie hatte, wie sie dem Great Ape Project auf Nachfrage mitteilte, dem Zoo Dresden dringend anempfohlen, die Haltung von Orang-Utans komplett aufzugeben und keine Neu- oder Nach“zucht“ zu starten. Diese fachlich begründete Bewertung hat der Zoo aus dem Kontakt mit ihr nicht nur herausgefiltert, sondern ihre Aussagen damit ins komplette Gegenteil verdreht.

So scheint es, dass das geplante „Zuchtprogramm“ allein den wirtschaftlichen Interessen des Zoos dient, in denen es nicht um die Tiere gehen kann. Neue Tierbabies generell und neue Orang-Utans im Besonderen dienen dem Dresdner Zoo vor allem dazu, mehr Besucher:innen in den Zoo zu locken. Zuchtprogramme in Zoos tragen auch nicht zur Arterhaltung oder zum Artenschutz bei, sondern nutzen vor allem den Interessen der Zoos und Tierparks, publikumsattraktive Tiere für die Zurschaustellung zu produzieren. „Nachzuchten“ in Zoos bedeuten zugleich eine Verminderung der genetischen Variabilität. Fast all die Tierarten und vor allem die bedrohten Orang-Utans können nur durch den Schutz und Erhalt ihrer Lebensräume nachhaltig überleben (bspw. Sommer, 2021). Dafür setzt sich auch Signe Preuschoft ein. Deshalb ist der Missbrauch ihres Namens und sind die Lügen in ihrem Namen umso verwerflicher. Zusätzlich unterdrückt der Zoo die Information, dass die betroffenen Orang-Utans ein wesentlich erträglicheres Leben führen könnten, da es bereits 2021 eine Aussicht auf die Aufnahme im Wales Ape & Monkey Sanctuary gab.

Während des Protests lief auch der Zoodirektor Karl-Heinz Ukena (ganz links) vorbei, ignorierte den Protest aber. Foto: Tigo Stolzenberger

Davon will der Zoo aber nichts wissen. Denn die Orang-Utans haben einen hohen Symbolwert für die Vermarktung vorgeblich bedeutsamer Ziele. Sie werden dafür missbraucht, das Märchen vom Artenschutz  aufrechtzuerhalten. Um diese Propaganda weiter betreiben zu können, setzt der Zoo auf weitere Tiere dieser Art und will daher entgegen aller Empfehlungen das „Zuchtprogramm“ auf Kosten der Tiere wieder aufnehmen. Zudem wären neue Orang-Utan-Babies eine willkommene Attraktion, die von den lokalen Medien erwartungsgemäß beworben wird, um weitere Besucher:innen in den Zoo zu lenken.
Trotz allen Leids, den er Zoo erzeugt, schafft er es, stadt- und landesweit ein völlig anderes Bild von sich und seinem Missbrauch von Tieren zu vermitteln. Solange aber die Erzählungen der Zoos so wirkmächtig sind und sich Öffentlichkeit, Politik, Medien, Besucher:innen und sogar Wissenschaftler:innen nicht kritischer mit der Geschichte, Selbstdarstellung, den PR-Strategien, den kaum bekannten Problemen (Tierhandel, Tiertötungen, Verhaltensstörungen usw.) und den Lügen der Zoos beschäftigen, wird der Zoo seine Deutungshoheit über seine Institution in der Öffentlichkeit behalten.


Ausbeutung von Menschenaffen und Menschen als wesentlicher Bestandteil der Dresdner Zoogeschichte

Die Nutzung und Zucht von Menschenaffen gehört seit jeher zum Geschäftsmodell des Dresdner Zoos und seiner Geschichte, die 1861 in Dresden begann. Im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Zootiere vor allem Wildfänge aus Kolonien, die durch Ermordung der anderen Familien- und Gruppenmitglieder geraubt wurden1. Die in den 1870er Jahren gekauften Schimpansen- und Orang-Utan-Kinder lebten nicht lange. Später in den Zoo gebrachte Menschenaffen mussten in Trachten und Uniformen auftreten und wurden wie andere Tiere bei Dressuren eingesetzt, teilweise lebten Schimpansenkinder in den Privaträumen des Zoodirektors2. Gustav Brandes (1862-1941), der heute in der Öffentlichkeit immer noch unkritisch dargestellt wird und nach dem ein Affenhaus im Dresdner Zoo benannt ist, erlangte Berühmtheit mit seinen Zuchtversuchen und seiner „Affenforschung“. Er unterstützte die Nazis3 und führte rassistische Menschenschauen nach dem Vorbild der von Carl Hagenbeck ab 1878 initiierten Völkerschauen in Dresden fort. Unmittelbar nach der Gründung zoologischer Gärten im 19. Jahrhundert begannen viele von ihnen die in den Kolonien geraubten Tiere zusammen mit Menschen auszustellen. Grundlagen für die Erfindung dieser Völkerschauen in Zoos, bei denen vermeintlich fremde Kulturen dargestellt wurden, war die Annahme der kulturellen Überlegenheit von weißen Menschen und die bis heute dominierende Vorstellung einer ewig fortschreitenden Zivilisation, die von den europäischen Kulturen ausging und zu Gerechtigkeit und Wohlstand für alle führt, tatsächlich jedoch auf restloser Naturausbeutung basiert.

Auf Rekrutierungsreisen war die Anwerbung von Menschen oft mit dem Erwerb von Tieren verbunden4. Die Tiere wurden teilweise in den gleichen Gebäuden wie die Menschen untergebracht5 und mussten mit den Menschen zusammen auftreten6. Nicht nur die gefangenen und gehandelten Tiere, auch die verschifften Menschen litten unter den Bedingungen so sehr, dass viele von ihnen dabei starben.
Europäische Blickregime, koloniale Machtstrukturen und ein rassistisches Menschenbild prägten die Entwicklung und Beibehaltung dieser Praxis bis ins 20. Jahrhundert hinein. Auch bei den Dresdner Völkerschauen standen die Besucher:innen des Zoos als Teil von „zivilisierten Kulturvölkern“ den Ausgestellten gegenüber, die als „wilde Naturvölker“ inszeniert, romantisiert oder verspottet wurden. Die Benutzung von Menschen, die körperlich ungewöhnlich erschienen, diente dazu, die eigene Überlegenheit zu beweisen, indem die Ausgestellten mit ihren Körpern deren frühere evolutionäre Entwicklungsstufe repräsentierten sollten7. Die Thematisierung geschweige denn die Aufarbeitung dieser jahrzehntelangen Praxis der sogenannten Völkerschauen wird auch vom Dresdner Zoo bis heute verweigert.
Obwohl nach den Bombenangriffen auf Dresden die noch lebenden Tiere erschossen worden waren, begann ab 1946 der Wiederaufbau. In den 1950er Jahren wurden Schimpansenkinder angeschafft, später Orang-Utans, 1961 sogar Gorillas, die alle provisorisch in Gitterkäfigen des Elefanten- oder Raubtierhauses untergebracht wurden. Zwar wurde 1985 ein Orang-Utan-Haus errichtet, das damals als Neubau bejubelt wurde. Diese neuen Gehege waren in Wirklichkeit jedoch winzige Betonknäste, die zwangsläufig für die Tiere eine Qual darstellen. Tiere, die natürlicherweise hunderte bis mehre tausend Hektar nutzen, wurden in vier Gehegeabteile mit je 25 Quadratmeter eingesperrt, bestehend aus Steinwänden, Betonboden, Panzerglas Richtung Besucherseite, etwas Tageslicht über Dachluken und Neonlicht, dazu Bambus, Kunstfelsen, Totholz und Seile als Dekoration, die vor allem aus menschlicher Perspektive den Anblick erträglicher wirken lassen sollten. Jedoch entsprachen die Bedingungen nicht einmal den ohnehin sehr niedrigen Standards der bundesministeriellen Vorgaben zu den Haltungsbedingungen von Säugetieren in Zoos. Diese hätten für die beiden „Zuchtgruppen“ eine (ebenso vollkommen unzureichende) Mindestgehegefläche von 320 Quadratmetern und eine zwei Meter höhere Gehegehöhe sowie Sichtblenden bzw. Rückzugs- und Ausweichmöglichkeiten vorgeschrieben.

Diese katastrophalen Bedingungen wurden 2017 schließlich mit dem Negativ-Award des GreatApeProject für die „Schlimmste Orang-Utan-Qualhaltung in einem europäischen Zoo“ und der Thematisierung durch die Dresdner Piraten bekannt. Martin-Schulze Wissermann schilderte 2021 in einem Podcast seine Beobachtungen aus einem Besuch im Dresdner Zoo im Jahr 2001, bei der eine Orang-Utan-Frau schwere Verhaltensstörungen zeigte, indem sie immer wieder in die eigene Hand urinierte, den Urin trank und dabei teilnahmslos in die Leere schaute.
Während der Stadtratssitzung am 12. Mai 2021, bei der über den Bau des Orang-Utan-Hauses entschieden wurde, protestierten Aktivist:innen der Gruppe Tierbefreiung Dresden mit den Dresdner Piraten gegen das Elend im Dresdner Zoo.

Bis auf die Piraten interessierte sich in der Stadtpolitik allerdings niemand für die Leiden der Zootiere und mit dem Beschluss des Stadtrates wurde dem Zoo für den Neubau einer Orang-Utan-Anlage ein Gesellschafterdarlehen in Höhe von 12 Millionen Euro zum 31.12.2031 gewährt, davon 8 Millionen Euro zur Auszahlung in 2021.
Nun zahlt die Stadt dem Zoo für die Rückzahlung eines Teils des Kredits bis 2031 jährlich Geld aus, der aber dann 2031 immer noch 9,6 Millionen Schulden bei der Stadt hätte.

Das Elend geht weiter – Was vom neuen Orang-Utan-Haus zu erwarten ist 

Menschenaffen zählten im Dresdner Zoo seit jeher zu den bekanntesten Gefangenen und werden bis heute genutzt, um dem Zoo Aufmerksamkeit, Bedeutung und vor allem „zahlende Kundschaft“ zu verschaffen. Der Zoo selbst wird sie nicht freiwillig aufgeben, auch wenn alle wissen, dass das Leben für die Menschenaffen in einer Auffangstation wesentlich erträglicher und auch möglich wäre. Der Zoo wird auf Biegen und Brechen eine neue Zucht vorantreiben, auf Kosten der Tiere. 

Die nun im neuen Haus gefangenen Orang-Utans werden weiterhin unter für sie schrecklichen Bedingungen leben und sterben. Auch hier dienen die Pflanzen, Wandfarben und Naturmaterialien wie Bambus, Rindenmulch, Schilfmatten, Baumstämme oder Seile eher dazu, die winzigen Räume für die Menschen weniger grausam und nach einer artgerechten Gestaltung aussehen zu lassen. Nach wie vor können die Orang-Utans auf dieser für sie extrem beengten Fläche nur quälend langsam klettern und nicht annähernd die Dynamik und Geschwindigkeit ihrer natürlichen Bewegungen ausführen. Auch in dem dem neuen Orang-Utan-Haus werden Haltungsbedingungen vorherrschen, die zwangsläufig großes Leid erzeugen. 

Toni am 18. Juni im neuen Gehege. Er ist der älteste der eingesperrten Orang-Utans, sitzt auf Beton, umgeben von Dekorationselementen, die den Knast für die menschlichen Besucher:innen weniger trostlos erscheinen lassen sollen. Foto: Colin Goldner

Dass Tiere teilweise in Gefangenschaft länger leben als im Freiheit bedeutet nicht, dass sie glücklich oder erfüllt leben, sondern nur, dass sie körperlich länger am Leben gehalten werden. Denn ihre grundlegenden Bedürfnisse werden im Zoo nicht ansatzweise erfüllt, sondern ihnen vorenthalten und unterdrückt. Alle sozialen Beziehungen und Mitinsassen sind von Menschen bestimmt worden und nicht selbst gewählt. Sie können nichts von dem tun, was sie tun würden, würden sie nicht in Gefangenschaft leben. Sie können sich weder frei bewegen, noch können sie ihrem natürlichen Sozialverhalten nachgehen, zum Beispiel Partner:innen und andere Kontakte zu Artgenoss:innen frei wählen, können nicht mit ihren Familienmitgliedern zusammen bleiben, nicht  riesige Gebiete durchstreifen, Nahrung suchen oder Wohnplätze bauen. Sie werden niemals ihre natürlichen Lebensweisen, Fähigkeiten und Fertigkeiten ausleben oder ausprobieren können und zwangsläufig depressiv werden.
Die Orang-Utans im Zoo Dresden können noch nicht einmal über ihre Gehegebegrenzung hinausblicken, sondern werden auf Lebenszeit eine riesige runde Betonwand anstarren.
Während ihres kümmerlichen Lebens werden die Orang-Utans als Gefangene weiterhin dazu benutzt werden, den Zoobesuchenden Unterhaltung zu bieten und als sogenannte „Botschafter:innen einer bedrohten Tierart“ die Zoo-Lüge von Tier- und Artenschutz aufrechtzuerhalten.

Noch am Eröffnungstag des Hauses wurde beim zuständigen Veterinäramt, das die Haltungsbedingungen im Dresdner Zoo zu überprüfen und tierschutzrechtlich zu bewerten hat, Anzeige gegen die Zooverantwortlichen erstattet. Weitere Dokumentationen von Verhaltensauffälligkeiten und ungeeigneter Haltungsbedingungen sowie weitere Anzeigen und Proteste gegen den Zoo werden folgen.

Dalai ist ein Jungtier und könnte ein erträglicheres Leben haben. Wenn es nach dem Zoo Dresden geht, wird sie jedoch lebenslänglich eingesperrt bleiben. Foto: Colin Goldner


Bilder:
Fotos von Dalai (Jungtier) und Toni (älterer Orang-Utan) sowie Eröffnung mit Dirk Hilbert von Colin Goldner
Fotos vom Protest von Tigo Stolzenberg

  1. Austermühle, Stefan: „… und hinter tausend Stäben keine Welt!“. Die Wahrheit über Tierhaltung im Zoo, Hamburg 1996, S. 25ff. ↩︎
  2. Goldner, Colin: Lebenslänglich hinter Gittern. Die Wahrheit über Gorilla, Orang Utan & Co in deutschen Zoos, Aschaffenburg 2014, 259ff. ↩︎
  3. Gustav Brandes zählte zu den Unterzeichnern des „Bekenntnisses der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat“ vom 11. November 1933, https://de.wikipedia.org/wiki/Bekenntnis_der_deutschen_Professoren_zu_Adolf_Hitler#/media/Datei:Bekenntnis_der_Professoren_132.jpg ↩︎
  4. Thode-Arora, Hilke: Völkerschauen in Deutschland. Eine Einführung, in: Ludwig, Christina/ Rudolph, Andrea/Steller, Thomas/Strähle, Volker; (Hg.): Menschenanschauen. Selbst- und Fremdinszenierungen in Dresdner Menschenausstellungen, Dresden 2023, S. 18. ↩︎
  5. Strähle, Volker: Eine „Völkerwiese“ am Grossen Garten. Der Dresdner Zoo als Ort kommerzieller Menschenschauen, in: Menschenanschauen 2023, S. 77. ↩︎
  6. Strähle, Volker: Übersicht: Menschenschauen im Dresdner Zoo, in: Menschenanschauen 2023, S. 83. ↩︎
  7. Strähle, in: Menschenanschauen 2023, S. 78f. ↩︎

Veröffentlicht am 11. August 2024 um 19:07 Uhr von Redaktion in News, Tierrechte

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